Die Alt-Katholische Kirche in Deutschland

Die Alt-Katholische Kirche entstand aus dem Protest vieler Katholikinnen und Katholiken gegen die Dogmen von 1870, die dem Papst umfassende Leitungsvollmacht über die Kirche und Unfehlbarkeit in Glaubens- und Sittenfragen zusprachen. Sie sahen in den onzilsentscheidungen einen Bruch mit der Lehre und der Verfassung der Alten Kirche des ersten Jahrtausends.

Diese alte katholische Kirche wollten sie bewahren und schützen, wie es im Programm des „Münchner Kongresses“ von 1871 ausgedrückt wurde: „Im Bewusstsein unserer religiösen Pflichten halten wir fest an dem alten katholischen Glauben, wie er in Schrift und Tradition bezeugt ist, sowie am alten katholischen Kultus …“ Und: „Wir halten fest an der alten Verfassung der Kirche. Wir verwerfen jeden Versuch, die Bischöfe aus der unmittelbaren und selbständigen Leitung der Einzelkirchen zu verdrängen …“ Deshalb nannten sie sich „Alt-Katholiken“.

Da sie aufgrund ihrer Ablehnung exkommuniziert wurden, aber weiterhin als Katholiken leben wollten, wurde der Aufbau einer eigenen Kirchenordnung notwendig. Diese sogenannte „Synodal- und Gemeindeordnung“ (SGO) wurde in nur vier Jahren entwickelt (1871-1874) und verbindet das für eine katholische Kirche unaufgebbare Bischofsamt mit der Mitwirkung aller Kirchenmitglieder an den Entscheidungen der Kirche. Die Synode ist das höchste Entscheidungsorgan der Alt-Katholischen Kirche. Zwischen den Synoden leiten der Bischof und von der Synode gewählte Frauen und Männer die Kirche (Synodalvertretung).

Seit den Anfängen besteht eine grundsätzlich Offenheit für Reformen. Lehre und Struktur der alten katholischen Kirche des ersten Jahrtausends gelten dabei als theologische Prüfinstanz. So wurde z. B. schrittweise die Landessprache in die Liturgie eingeführt, 1878 der Pflichtzölibat der Geistlichen aufgehoben, und 1996 konnten die ersten Frauen für den priesterlichen Dienst geweiht werden.

Ebenfalls auf die Gründungszeit geht das große Interesse der Alt-Katholiken an der ökumenischen Bewegung zurück. Der zweite Alt-Katholikenkongress, der 1872 in Köln abgehalten wurde, setzte dazu eine eigene Kommission ein, die unter Leitung des Münchner Kirchenhistorikers Ignaz von Döllinger Wege zur Einheit der getrennten Kirche suchen sollte. Eine Frucht dieser Bemühungen waren die „Bonner Unionskonferenzen“ von 1874/1875, an denen alt-katholische, anglikanische, orthodoxe und protestantische Theologen teilnahmen. Leider wurden die dort erzielten Ergebnisse von den Kirchenleitungen nicht rezipiert. Dies hinderte die Alt-Katholiken aber nicht daran, den ökumenischen Dialog vor allem mit den Anglikanern und den Orthodoxen fortzusetzen.

Die Gespräche mit den Anglikanern führten schließlich 1931 zur vollen Kirchengemeinschaft; im Dialog mit den Orthodoxen wurde in den Jahren 1975 bis 1987 Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen der Lehre festgestellt. In Deutschland kam es zu intensiven Lehrgesprächen mit VELKD und EKD. Diese führten 1985 zur Vereinbarung über eucharistische Gastfreundschaft. Ein von einer alt-katholisch / lutherischen Dialogkommission im März 2010 verabschiedetes Dokument zeigt Möglichkeiten auf, die bereits bestehende Gemeinschaft zwischen den beiden Kirchen zu vertiefen.

1889 schlossen sich die alt-katholischen Bischöfe der Niederlande, Deutschlands und der Schweiz mit ihren Kirchen zur „Utrechter Union“ zusammen, der später weitere Kirchen beitraten.

Die Alt-Katholische Kirche in Deutschland zählt heute rund 15.000 Mitglieder. In 40 Pfarreien arbeiten hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger, die von Geistlichen mit Zivilberuf unterstützt werden. Bischofssitz ist Bonn; hier findet auch die theologische Ausbildung statt. Die Kirche finanziert sich durch Kirchensteuern und freiwillige Spenden. Sie ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) und über die internationale Utrechter Union der alt-katholischen Kirchen eingebunden in die Arbeit des ÖRK.